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Nierenfunktion (GFR) bestimmen bzw. abschätzen

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Nierenfunktion (GFR) bestimmen bzw. abschätzen

Das Wichtigste in Kürze

  • Die beste Formel zur Schätzung der Nierenfunktion ist die CKD-EPI-Formel, die von vielen Labors direkt angegeben wird oder unter www.mdrd.com berechnet werden kann. Sie schätzt die glomeruläre Filtrationsrate (GFR), normiert auf eine Standard-Körperoberfläche (1.73 m2).
  • Limitationen der Formel: (a) begrenzte Genauigkeit (ca. +/-30%); (b) nur im steady state valide (nicht bei akuter Niereninsuffizienz); (c) nicht valide bei stark abweichenden extrarenalen Einflüssen auf das Serumkreatinin (u.a. sehr hohe / sehr geringe Muskelmasse).
  • Zur Dosisberechnung von Medikamenten, die unabhängig vom Körpergewicht dosiert werden, sollte bei Patienten mit stark von der Norm abweichendem Körpergewicht die absolute (nicht auf die Körperoberfläche normierte) GFR oder Kreatininclearance abgeschätzt werden (z.B. anhand Cockcroft-Gault).

Hintergrund

Die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) gilt als bester globaler Parameter der Nierenfunktion und ist definiert als die Menge an Primärharn, die durch glomeruläre Filtration pro Zeit produziert wird. Eine genaue Bestimmung der GFR ist sehr aufwändig und wird daher nur für Forschungszwecke durchgeführt. Die Kreatininclearance stellt eine gute Näherung an die GFR dar. Sie überschätzt aber die GFR, da Kreatinin nicht nur glomerulär filtriert sondern auch tubulär sezerniert wird. Dieser Effekt ist vor allem bei eingeschränkter Nierenfunktion relevant (höhere tubuläre Kreatininsekretion). Auch die Kreatininclearance wird in der Praxis jedoch selten gemessen, da dafür eine 24h-Urinsammlung nötig ist. In der Praxis wird die GFR meist anhand von Serumkreatinin, Alter und Geschlecht mittels einer Formel abgeschätzt.

GFR-Schätzformeln

Die genaueste und am besten validierte Formel ist die CKD-EPI-Formel. Die GFR nach CKD-EPI wird von vielen Labors direkt bei der Bestimmung des Serumkreatinines angegeben, alternativ ist ein Kalkulator online verfügbar z.B. unter www.mdrd.com. Die CKD-EPI-Formel ist vor allem im oberen GFR-Bereich genauer als die ältere MDRD-Formel und hat diese daher abgelöst. Von der wesentlich älteren Cockcroft-Gault (C-G)-Formel unterscheidet sich die CKD-EPI-Formel durch folgende Punkte:

  • Die CKD-EPI-Formel ist besser validiert und genauer
  • Die CKD-EPI-Formel schätzt direkt die GFR, die C-G-Formel schätzt die Kreatininclearance
  • Die CKD-EPI-Formel schätzt die GFR normiert auf die Körperoberfläche (ml/min/1.73m2). Dies vereinfacht die Berechnung (Gewichtsangabe im Gegensatz zur C-G-Formel nicht nötig) und macht Sinn, da der Normwert der GFR von der Körperoberfläche abhängt. Die CKD-Stadieneinteilung berücksichtigt daher die auf die Körperoberfläche normierte GFR (ml/min/1.73m2).

Für alle Schätzformeln bestehen einige wichtige Limitationen:

  • Die Genauigkeit der Formeln ist begrenzt (ca. +/- 30%)
  • Sie sind nur im steady state valide und dürfen bei rasch steigendem / sinkendem Serumkreatinin (akute Niereninsuffizienz oder Erholung davon) nicht verwendet werden!
  • Nebst der Nierenfunktion, dem Alter und Geschlecht (in der Formel berücksichtigt) haben auch andere Faktoren einen Einfluss auf das Serumkreatinin:
    • Die Muskelmasse (unterschätzen der Nierenfunktion bei Bodybuildern, überschätzen bei langer Hospitalisation / Immobilisation, Amputation)
    • Exogene Zufuhr (Fleischkonsum, Kreatinsupplemente)
    • Extrarenale Elimination bei Dialyse oder grossem Volumenverlust und anschliessender Verdünnung durch Infusion, dadurch überschätzen der GFR
    • Reduzierte tubuläre Sekretion durch gewisse Medikamente (Trimethoprin, Cimetidin, Fenofibrat, Cobicistat, Ritonavir, Litalir), dadurch unterschätzen der GFR

Alternativen zu Serumkreatinin-basierten Schätzformeln

Falls die CKD-EPI-Formel aufgrund der o.g. Limitationen nicht valide ist, muss die Nierenfunktion alternativ abgeschätzt werden:

  1. Bei Abweichungen von der normalen Muskelmasse:
    • Entweder: Messen der Kreatininclearance mittels 24h-Urin (wichtig: gute Instruktion zur korrekten und vollständigen Urinsammlung nötig)
    • Oder: Bestimmung des Cystatin C. Dieser alternative Filtrationsmarker hängt nicht von der Muskelmasse ab (ist dafür aber ungenau bei Schilddrüsenfunktionsstörungen und unter Steroidtherapie). Die CKD-EPI GFR-Schätzformel anhand von Cystatin C ist verfügbar unter www.mdrd.com.
  2. Bei akutem Nierenversagen:
    • Hier gibt es keine Möglichkeit für eine genaue GFR-Abschätzung. Kreatininverlauf (Dynamik des Anstiegs oder Abfalls), Urinausscheidung, Harnstoff und Elektrolyte beachten.
  3. Bei Patienten an der Dialyse:
    • Die Nieren-Restfunktion kann durch eine 24h-Urinsammlung mit Bestimmung des Kreatinins und Harnstoffs im Urin errechnet werden (spezielle Formel, Berechnung durch Nephrologen).

Spezialfall Medikamentendosierung

  • Da die meisten Medikamente eine einigermassen grosse Therapeutische Breite aufweisen, ist die Bestimmung der Nierenfunktion mittels Schätzformel in aller Regel ausreichend genau. Im Arzneimittelkompendium wird v.a. aus historischen Gründen zur Dosisanpassung die Kreatininclearance (nicht GFR) und die Cockcroft-Gault-Formel genannt (pharmakokinetische Date mehrheitlich alt).
  • Viele Medikamente werden in fixer Dosis unabhängig vom Körpergewicht verschrieben. Dann sollte theoretisch auch die absolute GFR bzw. Kreatininclearance verwendet werden zur Dosisanpassung (nicht normiert auf 1.73m2). Hierfür kann entweder die Cockcroft-Gault-Formel verwendet werden oder die eGFR nach CKD-EPI auf die patientenspezifische Körperoberfläche rückgerechnet werden (eGFR nach CKD-EPI durch 1.73 teilen und mit Körperoberfläche des Patienten multiplizieren; die letzere kann anhand der DuBois-Formel mittels eines Kalkulators berechnet werden). Eine Berechnung ist aber nur notwendig bei klaren Abweichungen von den Standard-Körpermassen.
  • Im Einzelfall ist zu entscheiden, wie toxisch ein Medikament ist und wie wichtig das Erreichen einer bestimmten Serumkonzentration (Bsp. Antibiotika) und dann nach Abwägen von erwünschtem Nutzen vs. möglichen Nebenwirkungen die Dosis eher auf- oder abzurunden. 
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